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7‑Jähriger tätigt über 1.200 In-App-Käu­fe – Vater bleibt auf rund 34.000 Euro sit­zen: Land­ge­richt Karls­ru­he ver­weist auf Anscheinsvollmacht

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Emden. Ein außer­ge­wöhn­li­cher Rechts­fall aus Baden-Würt­tem­berg sorgt bun­des­weit für Dis­kus­sio­nen über In‑App‑Käufe, elter­li­che Auf­sicht und digi­ta­le Sicher­heit: Ein damals sie­ben bis acht Jah­re altes Kind tätig­te über den Goog­le Play Store mehr als 1.200 Bestel­lun­gen – Gesamt­sum­me min­des­tens 33.748 Euro. Das Land­ge­richt Karls­ru­he (Az. 2 O 64/23) wies die Kla­ge des Vaters auf Rück­erstat­tung ab. Die Begrün­dung: Anscheins­voll­macht – Goog­le durf­te auf­grund der über lan­ge Zeit regel­mä­ßig und unbe­an­stan­det erfolg­ten Nut­zung dar­auf ver­trau­en, dass Ein­käu­fe vom Berech­tig­ten ver­an­lasst wur­den. Rechts­mit­tel sind noch möglich.

Der Fall in Kürze

  • Zeit­raum: 02.02.2021 bis 21.09.2022
  • Trans­ak­tio­nen: 1.210 Käu­fe zwi­schen 0,99 und 109,99 Euro
  • Sum­me: min­des­tens 33.748 Euro
  • Betrof­fen: Goog­le-Play-Kon­to und Fir­men­kre­dit­kar­te des Vaters
  • Urteil: Rück­erstat­tung abge­wie­sen; Beru­fung möglich

Der Vater – ein Soft­ware­ent­wick­ler – hat­te ein Android-Tablet für Test­käu­fe mit sepa­ra­ter E‑Mail und Fir­men­kre­dit­kar­te ein­ge­rich­tet und das Gerät spä­ter sei­nem fünf­jäh­ri­gen Sohn über­las­sen, ohne das Goog­le-Kon­to umzu­stel­len. Das ver­stößt gegen Goo­gles Nut­zungs­be­din­gun­gen, die eine Kon­ten­wei­ter­ga­be unter­sa­gen. Zunächst wur­den weni­ge Käu­fe in Anwe­sen­heit des Vaters getä­tigt, spä­ter – wäh­rend fami­liä­rer Belas­tun­gen wie Schei­dung und Umzug – kam es zu wie­der­hol­ten In‑App‑Bestellungen. Rech­nun­gen lie­fen auf eine ver­al­te­te E‑Mail-Adres­se; Abbu­chun­gen fie­len im Fir­men­all­tag lan­ge nicht auf.

Juris­ti­sche Ein­ord­nung: Anscheins­voll­macht statt Minderjährigenschutz

Das Land­ge­richt Karls­ru­he stell­te auf Anscheins­voll­macht ab: Bei lang­an­dau­ern­der, mas­sen­haf­ter Nut­zung darf sich ein Unter­neh­men auf den Rechts­schein ord­nungs­ge­mä­ßer Berech­ti­gung ver­las­sen. Maß­geb­lich ist nicht das Alter des Han­deln­den (Kind), son­dern die Geschäfts­fä­hig­keit der ver­tre­te­nen Per­son (Kon­to­in­ha­ber). Der Schutz Min­der­jäh­ri­ger vor Ver­schul­dung greift hier nicht, weil nicht das Kind, son­dern das Kon­to des Vaters belas­tet wur­de. Zudem hielt das Gericht dem Vater vor, aus den anfäng­li­chen gemein­sa­men Käu­fen gewusst zu haben, dass nicht jeder Kauf eine Pass­wort­ab­fra­ge erfordert.

War­um der Wider­spruch des Vaters scheiterte

  • Lan­ge, unbe­an­stan­de­te Nut­zung mit sehr vie­len Transaktionen
  • Fir­men­kon­to und ‑kre­dit­kar­te auf einem Kin­der­ge­rät hinterlegt
  • Nicht genutz­te Schutz­me­cha­nis­men (Fami­li­en-/Kin­der­kon­to, Pass­wort­pflicht pro Kauf, Aus­ga­ben­li­mits, Guthabenkonto)
  • Ver­al­te­te Benach­rich­ti­gungs­adres­se ohne Kontrolle

Was Fami­li­en jetzt beach­ten sollten

  • Kin­der- und Fami­li­en­kon­ten nut­zen: In Goog­le Play Familienfreigabe/Kinderprofile einrichten.
  • Zah­lungs­mit­tel tren­nen: Kei­ne Fir­men­kar­te oder „offe­ne“ Kre­dit­kar­te auf Kin­der­ge­rä­ten; bes­ser Prepaid/Guthaben.
  • Kauf­be­stä­ti­gun­gen akti­vie­ren: Für jeden Kauf Authen­ti­fi­zie­rung ver­lan­gen; Benach­rich­ti­gun­gen an aktiv genutz­te E‑Mail.
  • Aus­ga­ben­li­mits set­zen: In‑App‑Käufe sper­ren oder Ober­gren­zen definieren.
  • Regel­mä­ßig prü­fen: Kon­to­aus­zü­ge, Play‑Store‑Historie und App‑Abos kontrollieren.
  • Gerä­te- und Kon­to­si­cher­heit: Kon­ten nicht wei­ter­ge­ben; Jugend­schutz- und Bild­schirm­zeit­funk­tio­nen konfigurieren.

Ein­ord­nung für Emden und Region

Der Fall zeigt, wie sich digi­ta­le Kleinst­be­trä­ge unbe­merkt zu gro­ßen Sum­men addie­ren kön­nen – beson­ders in belas­te­ten All­tags­si­tua­tio­nen. Für Emden gilt: Prä­ven­ti­on ist Team­ar­beit. Eltern, Schu­len, Jugend­hil­fe und loka­le Bera­tungs­stel­len kön­nen gemein­sam Medi­en­kom­pe­tenz stär­ken, siche­re Gerä­te­ein­stel­lun­gen ver­mit­teln und kla­re Fami­li­en­re­geln eta­blie­ren. Das redu­ziert Kos­ten­fal­len in Apps und Spie­len – und schützt Bud­gets sowie Nerven.


Redak­ti­on: Lese­r­ECHO Emden

Quel­le: hei­se online (Bericht vom 21.10.2025)

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